Hannover, 13.02.2023

 

Nachdem wir uns in den ersten beiden Beiträgen mit den Fragen beschäftigt haben, was Customer Engagement ist, warum es wichtig ist und wie Kunden zu engagierten Kunden werden, beschäftigen wir uns in diesem Beitrag damit, was ein Life Sciences Unternehmen über seine Kunden wissen sollte, um die Kunden zu einem stärkeren Engagement anzuregen, und wie es zu diesem Wissen kommt.
Ein geeignetes Werkzeug für die Identifikation von vorhandenem Wissen über den Kunden, aber auch von Wissenslücken und weiterem Bedarf nach Wissen, sind Fragen.

Warum helfen Fragen?

Ausgehend von HCP, die z.B. im CRM System des Life Sciences Unternehmens erfasst sind, sind viele Daten über diese ja bereits vorhanden. Also warum sollte ich bei der Bewertung des Customer Engagements mit Fragen beginnen und nicht gleich die abgebildeten Daten auswerten, die ich schon habe?
In vielen Projekten habe ich die Erfahrung gemacht, dass Fragen helfen, sich auf die Themen zu fokussieren, die z.B. priorisiert angegangen werden müssen. Aus den Fragen kristallisieren sich im Anschluss dann Business Cases heraus, also Szenarien und Anwendungsfälle. Der Vorteil eines solchen Vorgehens liegt darin begründet, dass sich Fragen rund um Themen gruppieren lassen. So kann sichergestellt werden, dass ein Thema von allen Seiten betrachtet und möglichst keine Perspektive außer Acht gelassen wird. Erst im Anschluss sollten dann die erfassten Daten dazu genutzt werden, um KPIs zu definieren, die Antworten zu den aufgeworfenen Fragen liefern.

Welche Frageform sollte gewählt werden?

Geht man von den vier Grundformen von Fragen aus, den geschlossenen, offenen, Suggestiv- und rhetorischen Fragen – und ich vereinfache hier bewusst – so lässt sich leicht erkennen, dass bei den Fragen, die in Bezug auf HCP gestellt werden sollen, nicht jede Form in Betracht kommt. Suggestivfragen geben eine bestimmte Antwort von vorneherein vor. Rhetorische Fragen sind keine Fragen, sondern in Fragen gekleidete Aussagen. Damit scheiden bereits zwei Formen aus, da diese nicht dazu dienen können, etwas über den Kunden in Erfahrung zu bringen, was das Life Sciences Unternehmen noch nicht weiß.
Es bleiben für die beschriebene Vorgehensweise also nur noch geschlossene und offene Fragen als mögliche Formen über. Betrachtet man zunächst die geschlossenen Fragen, so lässt sich leicht erkennen, dass diese durchaus als Form gewählt werden können. Auf die Frage „Kennt mein Unternehmen überhaupt alle HCPs, die für das fragliche Medikament angesprochen werden sollen?“, lassen sich die Antworten „Ja“, „Nein“ oder „Hoffentlich“ finden. Jedoch sind diese nur bedingt aussagekräftig und hilfreich.

Als einzig sinnvolle Frageform, die ein Life Sciences Unternehmen im Rahmen des Customer Engagements wählen sollte, bleiben deshalb die offenen Fragen. Neben eher allgemeinen Fragen wie „Welche HCPs mit welchen Fachrichtungen können mein Produkt verordnen?“ oder „Welche Faktoren und Argumente sprechen für den Einsatz meines Medikaments?“, sind es dann vor allem konkrete Fragen, die auf einzelne HCPs angewandt werden müssen, damit sich einzelne HCPs besser einordnen lassen!

Wichtig ist bei der Sammlung von Fragen auch, dass man zum einen nicht von vorneherein einschränkt oder sogar ganze Themenblöcke ausschließt. Hier muss kreativ gedacht werden können und das funktioniert, z.B. mittels eines Brainstormings oder auch anderer Kreativitätstechniken, am besten, wenn alles erlaubt ist. Zum anderen sollten hier alle Business Units oder Abteilungen gemeinsam Fragen formulieren. Es hilft nur wenig, wenn sich z.B. ausschließlich das Marketing mit dieser Aufgabe beschäftigt.

Bei einem solchen Ansatz werden unweigerlich auch Fragen gestellt, auf die es noch keine Antworten geben kann. Das kann seine Ursache darin haben, dass z.B. meine Multichannel- oder Omnichannel-Strategie noch nicht so weit entwickelt ist oder die entsprechenden Daten (noch) nicht erfasst werden. Dennoch ist es wichtig auch solche Fragen zu formulieren und zuzulassen, um zu erkennen, was meine nächsten Schritte auf dem Weg zur Umsetzung einer solchen Strategie sein sollten. Eine Customer Journey Map, auf die wir in späteren Beiträgen noch zu sprechen kommen werden, entsteht nicht über Nacht, sondern wird sukzessive entwickelt. Wenn ich dann später auf bereits im Vorfeld gefundene Fragen zurückgreifen kann, dann hilft das sehr.

Wie kann ich solche Fragen formulieren?

Bei der Formulierung von Fragen ist es wichtig, dass eine Frage jeweils nur einen Aspekt des Kunden betrifft. Eine Kombination von Fragen zum selben Thema in einer Frage oder gar eine Vermischung von verschiedenen Themen in einer Frage kann dazu führen, dass eine spätere KPI Raum für Interpretationen zulässt und eben keine klaren Antworten mehr liefern kann. Dies führt zwar im Ergebnis zu einer deutlich längeren Liste an Fragen, die Erkenntnisse, die ich aus den dazu passenden KPIs gewinne, sind aber dafür umso präziser. Beachtet man diese Grundparameter, so können Fragen formuliert werden wie:

  • „Welche Kunden verordnen das fragliche Medikament bereits aus Erfahrung und Überzeugung?“,
  • „Welche dieser Kunden haben meinem Unternehmen die Einwilligung zur Verwendung ihrer E-Mail-Adresse gegeben?“ und erweiternd
  • „Welche HCP öffnen die ihnen gesandten E-Mails?“ und
  • „Welche Kunden klicken in den E-Mails auf Links zu für sie relevanten Inhalten?“,
  • „Wie viele dieser Kunden nutzen den E-Mail-Kanal dann auch, um sich mit dem für sie zuständigen Sales Rep und anderen Bereichen auszutauschen?“ oder
  • „Welche Kunden recherchieren Informationen zur Verwendung des Medikaments selbständig auf den Webseiten meines Unternehmens?“ sowie
  • „Welche HCPs nutzen digitale Fortbildungsangebote meines Unternehmens in Form von E-Learnings oder Online-Veranstaltungen?“.

Wie wir sehen, führen manche Fragen unweigerlich zu Folgefragen, die dann wiederum weitere Fragen nach sich ziehen. Bei aller Ermunterung zur Kreativität muss es deshalb auch ein Korrektiv geben, dass genutzt wird, um das eigentliche Ziel nicht aus den Augen zu verlieren.

Wie weit gehe ich mit meinen Fragen?

Auch wenn ich bereits die Antworten auf die ersten Fragen kenne, z.B. weil die Daten und KPI schon vorhanden sind, so sollte ich es wie wir gesehen haben, nicht bei diesen „ersten“ Fragen belassen, sondern daran anknüpfend weitere Fragen zulassen und ausformulieren. Ausgehend von der Frage nach einer Nutzung des E-Mail-Kanals durch den HCP, kann ich im Anschluss z. B. fragen

  • „Welche E-Mails von welchem Absender werden vom Kunden geöffnet?“,
  • „In welchen E-Mails hat der Arzt auf einen Link geklickt?“
  • „Auf welchen Link wurde am häufigsten geklickt?“ oder
  • „Welche Kunden verwenden Login-Daten auf den Websites meines Unternehmens und melden sich ggf. auch mehrfach an, um für sie relevante Informationen zu erhalten?“.

Andererseits muss bei der Ausformulierung aller Fragen immer auch gegengeprüft werden, ob mir die Fragen und darauf erhaltene Antworten dabei helfen, eine 360° Sicht auf den HCP zu erreichen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen und um das Customer Engagement eines Kunden zu verbessern. Mit anderen Worten, hier muss das erwähnte Korrektiv greifen, damit am Ende nicht zu viele Daten gesammelt werden, die dann keine Verwendung finden.

Zur Erinnerung: was ist das Ziel von Customer Engagement?

Ich muss mir stets vor Augen halten, was mein Ziel ist: Den HCP und seine Aktivitäten und Interessen so gut kennen zu lernen, um ihm mit meinen Services einen echten Mehrwert bieten zu können. So animiere ich den HCP zu einem stärkeren Engagement für mein Unternehmen bzw. mein Produkt und kann mich damit von den Marktbegleitern abheben!
Denn je weiter ich beim HCP mit meinen Fragen komme, desto besser lerne ich den Kunden auf der Grundlage seiner Antworten kennen und desto mehr zeige ich aufrichtiges Interesse an ihm. Dies führt auf Seiten des HCP zu einem berechtigten Gefühl der Wertschätzung durch mein Unternehmen und erzeugt in der Folge eine Bindung. Dass sich dieser HCP für mich „engagiert“, weil ich mich für ihn „engagiere“ ist dann eine natürliche Folge.

Nachdem wir nun wissen, wonach und in welcher Form in Bezug auf die Kunden eines Life Sciences Unternehmens gefragt werden muss, werden wir uns im nächsten Beitrag damit beschäftigen, welche Arten von Kundendaten es gibt und in welchen Systemen diese erfasst und abgebildet werden.

Über mich
Hallo, ich bin Marcos Garcia Villas und habe als Customer Engagement-Experte über die vergangenen 16 Jahre vielfältige Erfahrungen im Bereich Customer-Relationship-Management in der Life Sciences Branche gesammelt. Ich berate unsere Kunden mit tiefem Prozess-Knowhow zu Customer Engagement und Next-Best-Action für die jeweiligen Zielgruppen. Ich freue mich darauf, Ihnen in einem persönlichen Gespräch einen Einblick zu geben, wie Sie zukünftig Engagement-Erfolge erzielen können.

 

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